Charlotte, eine von uns

2024
Kino Spielfilm, in Post-Produktion, 117 Min.

Charlotte (42) lebt mit ihrem Vater abgeschieden im Trentino, aber eigentlich lebt sie in ihrer eigenen Welt. Sie ist psychisch beeinträchtigt. Als der Vater wegen eines Herzinfarkts ins Spital kommt, kehrt Charlottes Bruder Leo (32) nach zehn Jahren ins Dorf zurück. Er erfährt, dass seine Schwester weg will und fordert sie auf, mit ihm in die Schweiz zu kommen. Damit beginnt für Charlotte ein Abenteuer, denn sie hat noch nie eine Reise gemacht.

Director Statement
MOTIVATION FÜR DAS PROJEKT
 
Die Idee hinter diesem Filmprojekt war ebenso einfach wie herausfordernd: die Wahrnehmung eines Menschen mit einer psychischen Störung zu durchdringen und wiederzugeben. Charlottes Geschichte wird aus der Innenperspektive erzählt: Wir erleben, wie die Protagonistin ihre Umwelt wahrnimmt. Es gibt aber auch den Blick von aussen auf Charlotte durch die Figuren, mit denen sie in Kontakt tritt. 
Somit strebt der Film eine Identifikation mit Charlotte an, die jedoch nicht unkritisch ist.

ANMERKUNG DER AUTOREN
 
Der Film schildert die Ereignisse, die sich während der Reise von Charlotte ereignen, die sie geografisch vom Trentino ins Zürcher Mittelland und wieder zurückführt; gleichzeitig macht die Protagonistin auch eine innere Reise, die sich parallel zu den Ereignissen entwickelt. 
Am Ende erleben wir keine «Verwandlung» der Protagonistin - das wäre unrealistisch -, sondern sie befreit sich in kleinen Schritten von ihren Ängsten, sie schreitet auf ihrem Weg der Selbstfindung und der Entdeckung der Welt voran: das ist das Wertvollste, was einer Person, die psychisch beeinträchtigt ist, passieren kann - ihre Ängste nach und nach zu überwinden und ihre Bedürfnisse zu entdecken. In diesem Bestreben ist Charlotte eine von uns, denn wir haben alle unsere Ängste und unsere Bedürfnisse, und wir suchen alle, wie Charlotte, einen Umgang damit. 

ANMERKUNG DES REGISSEURS UND VISUELLER ANSATZ
Charlottes Reise zeigt ihre Gefühle und ihre Erfahrungen, die manchmal niederschmetternd, aber entscheidend für ihre Befreiung sind: Helle Momente und Momente von Dunkelheit ziehen sich durch die Geschichte. Auch wenn wir Charlotte in der letzten Einstellung lachen sehen, ist ihr Weg nicht linear: Im Gegenteil, ihre Reise führt uns durch den kontinuierlichen und schwankenden Übergang zwischen Schmerz und Freude. 
Die wiederkehrenden Momente der Dunkelheit sind geprägt von der Angst und Lähmung, die unsere Protagonistin gegenüber unbekannten, neuen Situationen empfindet: im Wald, am Pool, in der Wäscherei zum Beispiel. Dem gegenüber stehen Momente des Glücks, in denen wir Charlotte mit Hühnern plaudern, auf die Zimmerwand malen oder einen Kieshügel hinunterrollen sehen. 
Die Bilder des Films sollen behutsam und emotional aufgeladen sein und in bestimmten Momenten eine universelle, poetische Dimension haben. Ein Beispiel dafür ist das Bild der Einsamkeit, wenn Charlotte draussen auf dem Boden schläft, beschützt vom Kreis der Kartoffeln, die sie um sich gelegt hat. 
In solchen Bildern steckt ein Potenzial, Empathie mit Charlotte zu entwickeln. 
Es war mir wichtig, visuell, aber auch akustisch in ihre Wahrnehmung zu kommen, mit ihr mitzugehen.
 
Schizophrenie ist gesellschaftlich immer noch ein Tabu: Das liegt daran, dass die Verhaltensweisen von Schizophrenen oft unberechenbar sind, was es uns unmöglich macht, sie zu benennen oder zu verstehen. 
Durch Charlottes Geschichte versuche ich, diesem gesellschaftlichen Tabu und dem allgemeinen Unverständnis mit den Mitteln des Kinos zu begegnen: ich möchte, dass Charlotte dem Publikum ans Herz wächst und dass ein intuitives Verständnis für sie möglich wird, das grösser ist als jenes der Figuren um sie herum.